Baurecht 01.10.2015

+++ News zur Sicherungsklausel im Bauvertrag und Rechtsfolgen bei Kalkulationsirrtum +++ Was ist zu tun? +++ 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

in jüngster Zeit gab es durch 2 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes grundlegend zu beachtende Neuerungen zur Vertragsgestaltung. Nachstehend wollen wir Sie zum Einen über die mögliche Unwirksamkeit von Sicherungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zum Anderen über die Möglichkeit einer Zurückweisung der Ausführung eines vom Unternehmer fehlkalkulierten Angebotes an Ausschreibungen der öffentlichen Hand informieren. Die Urteile können im Volltext in unserer Kanzlei angefordert werden. Selbstverständlich stehen wir gern zur näheren Erörterung und Beratung bei auftretenden Fragestellungen zur Verfügung.

 

I. Rechtmäßigkeit von Sicherungsklauseln in AGB-BGH Urteil vom 22.01.2015, VII ZR 120/14 

Wie viel Sicherheit darf der Bauherr durch Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften im Bauvertrag erlangen? Mit dieser Problematik beschäftigte sich der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Januar dieses Jahres. 

Im vorliegenden Fall will die Klägerin die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung in Anspruch nehmen. Der Auftragnehmer wurde von der Klägerin mit dem Bau einer Flutlichtanlage für ein Stadion beauftragt. Grundlage des Vertrages waren neben der VOB/B die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers. Die in diesen Vertragsbedingungen enthaltenen Sicherungsabreden forderten vom Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft i. H. v. 5 %. Diese sollte sich auch auf Gewährleistungsansprüche erstrecken. Weiterhin war auf Verlangen des Auftragnehmers eine Umwandlung der Vertragserfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft i. H. v. 3 % vorgesehen. Dies setzte jedoch den Empfang der Schlusszahlung sowie die Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche durch den Auftragnehmer voraus. Letztlich war der Auftragnehmer zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft i. H. v. 3 % der Auftragssumme verpflichtet. 

Die Klage blieb erfolgslos, der Bundesgerichtshof begründet dabei wie folgt: 

Das Zusammenwirken von Vertragserfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft sichert eventuelle Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers auch nach Abnahme der Leistung. Dabei kann es durch die Überschneidung zu einer Übersicherung i. H. v. 8 % der Auftragssumme für einen nicht unerheblichen Zeitraum kommen. Dies ist unverhältnismäßig hoch und damit unzulässig. Außerdem kann der Auftraggeber durch Aufschiebung der Schlusszahlung oder durch (unberechtigte) Ansprüche die Umwandlung der Vertragserfüllungsbürgschaft (5 %) in die Gewährleistungsbürgschaft (3 %) beliebig hinauszögern. Erstere deckt dabei jedoch weiterhin Gewährleistungsansprüche mit ab, der Auftraggeber könnte die Übersicherung also theoretisch über Jahre aufrechterhalten. 

Da die der Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede unwirksam ist und der Hauptschuldner nicht zu leisten braucht, ist auch der Bürgschaftsvertrag als unwirksam anzusehen. 

Für die Zukunft bedeutet dies, Sicherungsabreden wenn möglich ohne jegliche Überlagerung zu gestalten. Der Richtwert der Gesamtabsicherung liegt weiterhin bei etwa 6 % der Auftragssumme. Bei einer vorgesehenen Umwandlung von Vertragserfüllungsbürgschaft in Gewährleistungsbürgschaft sollte die Umwandlung hingegen nicht an den Empfang der Schlusszahlung und die Erfüllung aller bis dahin erhobenen Ansprüche geknüpft werden, da dies für den Bauherren unverhältnismäßig vorteilhaft ist.

 

II. Kalkulationsfehler als „Vertragsrücktrittsgrund“? - BGH Urteil vom 11.11.2014 - X ZR 32/14- 

Darf ein Bauunternehmer die Ausführung eines von ihm fehlerhaft kalkulierten Angebotes verweigern? Mit dieser Frage sah sich der 10. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im November 2014 konfrontiert. Im konkreten Fall hatte die Beklagte Bauarbeiten zur Fahrbahnerneuerung an einer Landstraße ausgeschrieben und die Klägerin dort das günstigste Angebot abgegeben. Nach dem Eröffnungstermin teilte die Klägerin der Vergabestelle mit, sie habe sich erheblich in der Kalkulation geirrt. Deshalb bat die sie, ihr Angebot aus der Wertung zu nehmen. Dem entsprach die Vergabestelle nicht, sondern erteilte der Klägerin den Zuschlag. Nachdem diese zum Ausdruck gebracht hatte, dass sie den Auftrag nicht ausführen werde, erklärte die Vergabestelle den Rücktritt vom Vertrag und beauftragte einen anderen Bieter. Dieser rechnete ihr einen weitaus höheren Betrag als den von der Klägerin veranschlagten ab und für diesen Mehraufwand fordert sie nun von der Klägerin Schadensersatz. 

Die Klägerin klagt auf Zahlung in Höhe von 164.567,29 €, aus einem anderen Auftrag resultierend. Die Beklagte argumentiert, dass die Klageforderung durch Aufrechnung der Beklagten mit der Gegenforderung nach Schadensersatz aus obigem Auftrag erloschen ist. Nachdem die Beklagte bereits vor dem Oberlandesgericht den Prozess verlor, stellte sie letztlich einen Revisionsantrag gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof. 

Der Bundesgerichtshof lehnte diesen ab und begründet dabei wie folgt: Es ist unzulässig, wenn der Empfänger eines Vertragsangebots dieses annimmt und auf der Durchführung des Vertrages besteht, obwohl er erkannt hat oder es erkennen musste, dass es auf einem (erheblichen) Kalkulationsirrtum des Anbieters beruht. Diese Pflicht trifft ihn nicht nur bei Vertragsschluss, sondern auch schon ab Beginn der Vertragsverhandlungen. Dem Bieter darf dabei aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr zumutbar sein, den Auftrag zum angebotenen Preis auszuführen. Dies ist zutreffend, wenn der zu zahlende Preis nicht mehr eine auch nur annährend äquivalente Gegenleistung für die zu erbringenden Bau-, Dienst- und Lieferleistungen entspricht. Der Bundesgerichtshof stellt weiterhin jedoch auch fest, dass nicht jede Fehlkalkulation den Auftraggeber verpflichtet, von der Annahme eines Angebotes abzusehen. Der Bauunternehmer soll es nicht als Korrektiv für jegliches fehlerhaftes Handeln im Geschäftsverkehr missbrauchen. Auch soll kein Vorwand geliefert werden, sich im Nachhinein unter Berufung auf einen vermeintlichen Kalkulationsirrtum von einem in Wirklichkeit mit Bedacht sehr günstig gestalteten Angebot zu lösen. 

Für die Zukunft bedeutet dies, dass es einem Bauunternehmen möglich ist, die Ausführung eines fehlerhaft kalkulierten Angebots auf eine Ausschreibung eines öffentlichen Bauherrn unter den oben beschriebenen Voraussetzungen zu verweigern.

 

Zögern Sie nicht, uns bei auftretenden Fragestellungen oder entsprechenden Fallgestaltungen zum Zweck der Beratung oder Vertretung zu kontaktieren.