+++ „Chef - ich mach mal blau“ +++ Am 01.07.2022 entfällt Krankenscheinvorlagepflicht für Arbeitnehmer +++ Was ändert sich? +++ Was bleibt unverändert? +++

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

am 01.07.2022 tritt eine gesetzliche Neuregelung des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in Kraft, die Auswirkungen auf das personalwirtschaftliche Handling rund um die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer hat.

 

Die Vorgängerbundesregierung hatte bereits am 22.11.2019 mit dem sogenannten 3. Bürokratieentlastungsgesetz eine Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes auf den Weg gebracht, das ursprünglich mit Wirkung zum 01.01.2022 die elektronische Arbeitsunfähigkeits-Meldung einführen sollte. Die Einführung ist verschoben worden und soll nunmehr zum 1. Juli diesen Jahres wirksam werden.

 

Das was die Vorgängerregierung als Bürokratieentlastung bezeichnet hat, könnte sich bei genauer Betrachtung als eine Verschärfung des Aufwandes für die Arbeitgeberseite herausstellen.

 

Was ändert sich?

 

Die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz wurde vom Gesetzgeber so modifiziert, dass die Pflicht des Arbeitnehmers zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Krankheit entfällt und durch eine elektronische AU-Meldung, die die Krankenversicherung an den Arbeitgeber generiert, ersetzt wird.

 

Die bisher auf § 5 EFZG basierende Betriebspraxis, dass die Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit spätestens ab dem 4. Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorlegen mussten (der Arbeitgeber konnte die Vorlage auch bereits am 1. Krankheitstag verlangen), wird nunmehr durch die gesetzliche Regelung komplett aufgegeben. Sie soll durch eine elektronisches Meldesystem ersetzt werden, das von einer elektronischen Meldung des die Arbeitsunfähigkeit attestierenden Arztes an die Krankenversicherung ausgeht und nach entsprechender Verarbeitung durch die Krankenversicherung als AU-Meldung an den Arbeitgeber weitergeleitet wird mit der Maßgabe, dass der Arbeitgeber sodann über ein einzurichtendes Meldesystem die Arbeitsunfähigkeitsdaten bei der Krankenversicherung abruft.

 

Daneben bleibt allerdings die Pflicht des Arbeitnehmers bestehen, sich unverzüglich beim Arbeitgeber krank zu melden, seine Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer ärztlich feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung aushändigen zu lassen. Faktisch bedeutet dies ein zweigleisiges Dokumentationssystem, nämlich einmal auf dem elektronischen Weg, ausgehend vom Arzt hin zur Krankenversicherung bis zum Arbeitgeber und als zweiter Weg die schriftliche Erteilung der ärztlichen Bescheinigung gegenüber dem erkrankten Arbeitnehmer.

 

Die Pflicht, sich eine ärztliche Bescheinigung erteilen zu lassen, ist insofern sinnvoll, als sie zum Einen ein Teil des bisherigen Nachweissystems darstellt und dann als Ersatz für die elektronische Meldung arbeitgeberseitig abgefordert werden kann, wenn z. B. im Meldesystem ein Fehler entsteht, der es dem Arbeitgeber unmöglich macht, die Meldung bei der Krankenversicherung abzurufen. Damit wird die gleichwohl zu erteilende schriftliche ärztliche Bescheinigung gegenüber dem Arbeitnehmer ein Ersatznachweismittel.

 

Ausnahme vom elektronischen Meldesystem

 

Die alte, also bewährte Regelung zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt weiter für privat krankenversicherte Arbeitnehmer, etwa Arbeitnehmer, die über ein Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung liegen und daher privatversichert sind oder für leitende Angestellte mit einem solchen Einkommen. Außerdem gilt die Regelung nicht, wenn die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Privatarzt, der nicht über eine kassenärztliche Zulassung verfügt, ausgestellt wird. Hier bleibt das bisherige „analoge Nachweissystem“ bestehen! Außerdem gilt das bisherige Nachweissystem auch für Personen, die eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten ausüben, weiter.

 

Was bleibt noch unverändert?

 

Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz geregelte Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung wird von der Gesetzesänderung nicht erfasst. Es bleibt also dabei, dass der Arbeitnehmer unverzüglich nach Kenntnis seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit dies dem Arbeitgeber anzeigen muss, ggf. auch schon vor Dienstbeginn.

 

Änderung von Arbeitsvertragsklauseln

 

Regelmäßig sehen Arbeitsverträge Klauseln zur Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit vor. Diese Arbeitsvertragsklauseln müssen wegen der nunmehr im Juli eintretenden Gesetzesänderung angepasst werden. Hier ist mit Sorgfalt darauf zu achten, dass die bisherigen vertraglichen Regelungen zur unverzüglichen Anzeigepflicht des Arbeitnehmers unangetastet bleiben, dafür aber die Regelungen zur bisherigen „analogen Nachweispflicht“ durch Regelungen zum elektronischen Meldesystem ersetzt werden. Außerdem müssen Regelungen aufgenommen werden für den Fall, dass der Arbeitgeber trotz entsprechender Krankmeldung des Arbeitnehmers einen Arbeitsunfähigkeitsnachweis über das elektronische Meldesystem gemäß § 109 SGB IV nicht generieren kann, weil dies möglicherweise technisch nicht funktioniert oder die Meldung schlicht und ergreifend deshalb nicht erfolgt, weil der Arbeitnehmer seine Erkrankung vorgetäuscht hat und tatsächlich nicht krankgeschrieben wurde. Für derartige Konstellationen muss die Pflicht zur Nachweisführung als Reserveregelung bestehen bleiben.

 

 

 

Für weitere Rückfragen und Unterstützung zur Umsetzung stehen wir selbstverständlich jederzeit gern zur Verfügung.  

 

mitgeteilt von

Michael Koch

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt

Stephanie Has

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwältin