Arbeitsrecht // Betriebsbedingte Kündigung versus Kurzarbeit Auftragsrückgang durch Corona

Sehr geehrte Damen und Herren,


die Corona-Krise führt vermehrt dazu, dass Unternehmen den Auftragsrückgang dauerhaft nicht mehr durch die Fortführung von Kurzarbeit sowie die Maßnahmen des staatlichen Schutzschirmes überbrücken können. So stellt sich in der aktuellen Situation für viele Arbeitgeber die Frage, muss zunächst für den Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragt werden oder sind sogar bereits die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung erfüllt. Oftmals zeigt sich auch nach Einführung der Kurzarbeit, dass es sich nicht nur um einen vorübergehenden Auftragsrückgang, sondern um eine dauerhafte Veränderung handelt, welche einen Personalabbau unabdingbar machen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob auch während der bestehenden Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann.

 

1. Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt?


Sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, da das Arbeitsverhältnis bereits 6 Monate besteht und darüber hinaus mehr als 10 Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt sind, ist eine betriebsbedingte Kündigung gegeben, sofern ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt, welches die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im betroffenen Betrieb dauerhaft nicht mehr möglich macht. Bezüglich der Voraussetzungen bestehen aufgrund der Corona-Pandemie keine Besonderheiten oder Erleichterungen. Daher müssen auch weiterhin folgende Voraussetzungen gegeben sein:

 

  • Eine unternehmerische Entscheidung führt zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs.
  • Es gibt keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt.
  • Nach Abwägung des Arbeitgeberinteresse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmerinteresses an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss das Beendi-gungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen (Interessenabwägung).
  • Sofern es vergleichbare Arbeitnehmer gibt, ist eine betriebsbezogene Sozialauswahl durchgeführt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 II KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidung: z.B. Rationalisierungsmaßnahme, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang usw.) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen, wobei diese weitere Voraussetzung erfüllt ist, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen.


Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Ein Auftrags- oder Umsatzrückgang kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zurückgeht, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt. Außerbetriebliche Umstände können eine betriebsbedingte Kündigung außerdem dann rechtfertigen, wenn sie der Arbeitgeber zum Anlass nimmt, zum Zwecke der Kostenersparnis durch Rationalisierungsmaßnahmen innerbetriebliche Veränderungen durchzuführen, durch die die Zahl der Arbeitsplätze verringert wird. Dabei sind die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, um seinen Betrieb dem Umsatzrückgang oder der verschlechterten Auftragslage anzupassen, nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, wohl aber daraufhin nachzuprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (sog. freie Unternehmerentscheidung). Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist aber immer, ob die zur Begründung dringender betrieblicher Erfordernisse angeführten inner- oder außerbetrieblichen Gründe tatsächlich vorliegen und wie sich diese Umstände im betrieblichen Bereich auswirken, das heißt in welchem Umfang dadurch eine Beschäftigungsmöglichkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.


2. Worin liegt der Unterschied zur Kurzarbeit?


Bei der Einführung von Kurzarbeit ist zunächst die arbeitsrechtliche von der sozialrechtlichen Ebene zu unterscheiden.


Arbeitsrechtlich erfordert die Einführung von Kurzarbeit eine Anspruchsgrundlage. Der Arbeitgeber kann sie nicht einfach einseitig per Weisungsrecht anordnen. Es kommen individual- und kollektivvertragliche Regelungen in Betracht. In der Praxis bildet häufig eine Betriebsvereinbarung die Grundlage.


Die sozialrechtliche Ebene der Kurzarbeit betrifft die Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit.


Voraussetzungen hierfür ist vor allem, dass der Arbeitsmangel lediglich vorübergehender Natur ist. Unternehmen sollen Kurzarbeit nämlich nur einsetzen, wenn ein Ende des konjunkturellen Minderbedarfs an Arbeitsleistung in Sicht ist, nicht jedoch, wenn der Arbeitsbedarf unabsehbar oder gar dauerhaft gesunken ist.


Vorliegen muss daher:

  • ein erheblicher Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen oder infolge eines unabwendbaren Ereignisses,
  • ein Arbeitsausfall ist unvermeidbar und lediglich vorübergehend,
  • das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen (mind. ein Arbeitnehmer),
  • das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen (z. B. ungekündigtes Arbeitsverhältnis) sowie
  • die schriftliche Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit

 

3. Wann ist der Arbeitsausfall nicht mehr vorübergehend?


Soweit der Arbeitgeber nachvollziehbar darlegt, dass nach seiner Prognose der Arbeitsmangel länger als 18 Monate andauern wird, liegen die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht vor. Ein Vorrang der Kurzarbeit kommt dann nicht in Betracht. Geht er hingegen nach seiner eigenen Prognose davon aus, dass innerhalb von ca. zwölf bis 18 Monaten wieder mit einer Steigerung des Arbeitskräftebedarfs zu rechnen ist, kann die Einführung von Kurzarbeit als milderes Mittel Vorrang vor einer betriebsbedingten Kündigung haben. Nur in dieser Fallkonstellation wird die Frage, welches Verhältnis die beiden Instrumente zueinander haben, überhaupt entscheidungserheblich sein. Dies kann insbesondere bei Arbeitsplatzabbau der Fall sein, der unmittelbar an einen durch die Wirtschaftskrise bedingten Auftragsrückgang anknüpft. Bei dieser Argumentation gibt der Arbeitgeber nämlich zu erkennen, dass er selbst nur von einem vorübergehenden Phänomen ausgeht. Diesem kann er aber mit dem Instrument der Kurzarbeit begegnen.


4. Kurzarbeit als milderes Mittel


Im Kern betrifft die Frage nach dem Vorrang der Kurzarbeit den Punkt, ob die Kündigung erforderlich ist. Das ist sie, wenn es kein milderes, gleichgeeignetes Mittel gibt. Unbestritten ist, dass Kurzarbeit gegenüber der Kündigung ein milderes Mittel darstellt. Problematisch ist jedoch, wann sie auch gleich geeignet ist, den Personalbestand an den Personalbedarf anzupassen. Kurzarbeit ist nur dann gleich geeignet, wenn sie im Vergleich zur Beendigungskündigung gleich wirksam ist, um das unternehmerische Ziel zu erreichen. Dies wird bei einem nur vorübergehendem Arbeitsmangel i. d. R. der Fall sein.


Über die Geeignetheit der Kurzarbeit muss zunächst der Arbeitgeber entscheiden. Ob die Arbeitsgerichte dann seine Einschätzung voll überprüfen dürfen, ist in der Literatur umstritten:


Ein Teil meint, auch die Einschätzung, ob die Einführung von Kurzarbeit im Betrieb möglich und gleich geeignet ist, gehöre zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Die Gerichte könnten sie daher nur eingeschränkt kontrollieren (vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 737).


Lediglich wenn das Unternehmen willkürlich oder missbräuchlich die Alternative Kurzarbeit außer Acht lässt, kann ihm das vorgehalten werden.


Der wohl überwiegende Teil hält hingegen die Einschätzung über die Eignung der Kurzarbeit als Alternative für voll gerichtlich überprüfbar. Soweit das Gericht die Einführung als möglich und gleich geeignet ansieht, sei dies ein milderes Mittel im Rahmen der Erforderlichkeit der Kündigung (vgl. Stahlhacke/Preis, KSchR, 9. Auflage 2005, § 2 Rdnr.1021). Dieser Auffassung haben sich auch einzelne Arbeitsgerichte angeschlossen.


5. Kündigung während der Kurzarbeit


Eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit ist sozialwidrig, wenn sie mit denselben Gründen gerechtfertigt wird, aus denen Kurzarbeit angeordnet worden ist. Denn dann besteht für eine betriebsbedingte Kündigung in der Regel nicht die gem. § 1 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz notwendige „dringende“ betriebliche Erfordernis. Zudem setzt eine betriebsbedingte Kündigung gerade einen dauerhaften Fortfall der Arbeitsmenge voraus. Hieran wird es bei der Anordnung von Kurzarbeit aber fehlen, da Kurzarbeit immer nur den vorübergehenden Arbeitsausfall zur Voraussetzung hat.


Eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit erfordert daher, dass zusätzliche - über die Gründe für die Kurzarbeit hinausgehende - oder geänderte Umstände vorliegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich die Lage des Betriebs seit der Anzeige der Kurzarbeit weiter verschlechtert hat und der Arbeitgeber nunmehr von einem dauerhaften - anstatt wie anfänglich von einem lediglich vorübergehenden - Fortfall der Arbeitsmenge ausgeht.


Das Spannungsfeld von Kurzarbeit und betriebsbedingter Kündigung beschreibt der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Grundlagenentscheidung zur Kurzarbeit mit folgenden Grundsätzen (BAG 23.02.2012 –2 AZR 548/10):

 

  • Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i.S. des § 1 II KSchG besteht nicht, wenn außer- oder innerbetriebliche Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs im Betrieb führen.
  • Der Arbeitgeber hat die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Produktions- oder Auftragsschwankungen muss ausgeschlossen sein. Dem muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags Rechnung tragen. Der Arbeitgeber hat den dauerhaften Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht.
  • Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften.
  • Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen.

 

Fazit:

  • Kurzarbeit ist immer als milderes Mittel zur betriebsbedingten Kündigung in Betracht zu ziehen!
  • Ist der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang gegeben, so kann eine betriebsbedingte Kündigung vorrangig sein!
  • Eine betriebsbedingte Kündigung kann auch während der Kurzarbeit ausgesprochen werden, wenn die vorübergehenden Gründe, welche zur Kurzarbeit geführt haben, nachträglich zu einem dauerhaften Rückgang der Auftragslage führen!

 

 

Für weitere Rückfragen stehe ich selbstverständlich jederzeit gern zur Erörterung zur Verfügung.  

Stephanie Has

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Rechtsanwältin