Arbeitsrecht I/2010

Sehr geehrte Mandantschaft,

der Europäische Gerichtshof ist gerade in Deutschland bekannt für seine unorthodoxe Sichtweise zum deutschen Arbeitsrecht.

Am 19.01.2010 hat der EuGH nunmehr mit einer 84-jährigen Tradition des deutschen Arbeitsrechtsgebrochen.


Thema: Gestaffelte Kündigungsfristen des § 622 BGB in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit gelten schon vor der Vollendungdes 25. Lebensjahres.


Schon im Jahr 1926 hat der deutsche Gesetzgeber gestaffelte Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§ 622 BGB). Die Kündigungsfrist für die Kündigung durch den Arbeitgeber hing vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab, verlängerte sich also nach einer gesetzlichgeregelten Staffelung in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses.


Diese Staffelung galt allerdings erst für Arbeitnehmer, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr des Arbeitnehmers wurden für die Bemessung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt. So konnten Situationen eintreten, dass z. B. ein Arbeitnehmer, der das 26. Lebensjahr vollendet hatte und bereits seit seinem 16. Lebensjahr im Betrieb tätig war (einschließlich der Ausbildungszeiten, die bei der Bemessung der Kündigungsfrist als Beschäftigungszeiten gelten), mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende gekündigt werden konnte.

Die Luxemburger Richter haben nunmehr in einem Fall einer 28-jährigen Düsseldorferin, die seit ihrem 18.Lebensjahr in einer Essener Firma gearbeitet hatte und nach 10 Jahren mit einer Kündigungsfrist von einem Monat entlassen worden war, stattgegeben und festgestellt, dass die Kündigungsfrist für diese Arbeitnehmerin bei einer Betriebszugehörigkeit von insgesamt 10 Jahren 4 Monate zum Monatsendebetragen hätte.


Die Privilegierung der Arbeitnehmer, die das 25. Lebensjahr vollendet hätten, sei im Vergleich zu den jüngeren Arbeitnehmern nicht sachlich gerechtfertigt. Auch die Begründung, dass jüngere Arbeitnehmer eine größere berufliche und persönliche Mobilität aufwiesen und insofern ihnen die Schlechterstellung zugemutetwerden könne, wurde von den Richtern des EuGH verworfen. Vielmehr haben die Richter zugunsten jüngerer Arbeitnehmer eine Altersdiskriminierung festgestellt.


Die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB ist damit europarechtswidrig und darf von den nationalen Gerichten nicht mehr angewandt werden.


Empfehlung: Wir raten allen Arbeitgebern, bei der Bemessung der Kündigungsfrist künftig die Altersgrenze von 25 Jahren unberücksichtigt zu lassen.


Sofern Arbeitgeber in den Geltungsbereich von Tarifverträgen fallen, die ähnliche Regelungen aufweisen oder sich in ihren Kündigungsregelungen auf die Gesetzesregelung des § 622 BGB beziehen, sollte vorsorglich unsere rechtliche Beratung in Anspruch genommen werden, damitgeprüft werden kann, ob der jeweilige Tarifvertrag nicht auch altersdiskriminierende Regelungen zuden Kündigungsfristen aufweist.


Für Ihre Rückfragen steht Ihnen generell und fallbezogen Rechtsanwalt und Fachanwalt für ArbeitsrechtMichael Koch jederzeit gern zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen

Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht