Corona-Virus - Arbeitsrecht 24.03.2020

Corona-Virus-Update (2) +++ Entwurf Sozialschutz-Paket/Bund vom 23.03.2020 +++ Kommt Lohnersatz bei Schul- und Kita-Schließung? +++ Anrechnungsfreie Zweitbeschäftigung bei Kurzarbeit möglich +++ Ausweitung Minijob-Regelung +++  Ausweitung Hinzuverdienstgrenze für Rentner +++

Sehr geehrte Damen und Herren, 


wie in meinem letzten Arbeitsrechts-Infoschreiben vom 19.03.2020 angekündigt, informiere ich über den weiteren Verlauf der Bundesgesetzgebung zur Abfederung der Folgen der Corona-Virusepidemie. 


Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister haben am 23.03.2020 in der Bundespressekonferenz ein milliardenschweres Corona-Notpaket angekündigt, mit dem Milliardenhilfen für Unternehmen, Solo-Selbständige, Mieter, Familien etc. versprochen werden. Im Schatten davon hat das Bundeskabinett am gleichen Tag ein 


Sozialschutz-Paket


verabschiedet, mit dem verschiedene Leistungen für Hilfebedürftige angekündigt werden, die auch einen maßgeblichen Bezug zu diversen arbeitsrechtlichen Konstellationen haben. Einzelheiten daraus, die aus Sicht des Unterzeichnenden darstellenswert sind, möchte ich Ihnen nachstehend präsentieren. 


1. Lohnersatz wegen Schul- und Kita-Schließung 

Diese hochwichtige Problematik, die ich in dem letzten Rundschreiben erläutert habe, scheint einer Lösung zugeführt zu werden. So veröffentlichte das Bundesfamilienministerium am Abend des 23.03.2020 eine Hintergrundmeldung (Corona-Pandemie - finanzielle Unterstuetzung) wonach das Bundeskabinett am 23.03.2020 als Teil des Sozialschutz-Pakets eine Lohnersatzregelung für Eltern geschaffen hat, die wegen der (behördlich in Thüringen ab 17.03.2020) angeordneten Schul- und Kita-Schließung die eigenen Kinder betreuen mussten und deshalb nicht zur Arbeit konnten. Dafür soll das Infektionsschutzgesetz angepasst werden. 


Auffällig ist allerdings, dass der Gesetzentwurf der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes (noch) nicht als Teil des Sozialschutz-Paketes, dessen Gesetzentwurf als Referentenentwurf bereits veröffentlicht ist, bekannt gegeben wurde, was dafür spricht, dass es offenbar aus Sicht der beteiligten Sozialpartner erheblichen Gegenwind gibt. Dafür spricht auch eine am 21.03.2020 veröffentlichte Stellungnahme des DGB zu dem Formulierungsvorschlag des BMAS zur Ergänzung des IfSG (Stellungnahme DGB), aus der heftigste Kritik des DGB gegen Inhalt und Ausgewogenheit der Verdienstausfallregelung deutlich wird. Womöglich hat genau deshalb das BMAS den Gesetzesentwurf noch nicht veröffentlicht, sodass noch mit Veränderungen der Regelungen zu rechnen ist. 


Der gegenwärtig bekannte Gesetzentwurf sieht 


  • eine Entschädigung von 67 % des monatlichen Nettoeinkommens (maximal 2.016,00 €) für den betreuungspflichtigen erwerbstätigen Elternteil vor, 
  • der ein oder mehrere Kinder unter 12 Jahren zu betreuen hat,
  • weil eine anderweitige Betreuung nicht sichergestellt werden kann und
  • zum Ausgleich dafür auch kein Gleitzeit- bzw. Überstundenguthaben verwendet werden kann und
  • der Urlaubsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers ausgeschöpft ist.


Die Auszahlung dieser Leistung soll der jeweilige Arbeitgeber übernehmen, der sodann bei der zuständigen Landesbehörde (nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz ist das für Thüringen das Landesverwaltungsamt) einen Erstattungsantrag stellen kann (mehr ist im Zeitpunkt der Verfassung dieses Newsletters am Nachmittag des 24.03.2020 über die offiziellen ministeriellen Internetkanäle nicht verifizierbar!). 


Aus der Stellungnahme des DGB zum Entwurf der Ergänzung des IfSG wird aber deutlich, dass die Entwicklung des Gesetzesentwurfes immer noch in Fluss ist. So scheint nach dem ursprünglichen Entwurf der Ergänzung des IfSG vom 20.03.2020 noch eine Höchsterstattungsgrenze von maximal 2.860,00 €/Monat im Gespräch gewesen zu sein, wogegen nach der Hintergrundmeldung des Familienministeriums vom 23.03.2020 diese lediglich 2.016,00 €/Monat betragen soll. 


Nicht klar ist außerdem, wie der Nachweis geführt werden soll, dass ein betreuungspflichtiges Elternteil keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit hat. 


Außerdem gilt die Regelung nicht für Zeiten der regulären Schulferien/Kita-Schließzeiten.


Höchst problematisch ist aber, dass der Urlaub des betroffenen Elternteils (vollständig) ausgeschöpft sein muss, bevor überhaupt ein Entschädigungsanspruch besteht. Das bedeutet, dass der betroffene Elternteil den gesamten Jahresurlaub in Anspruch nehmen müsste, wenngleich der in Ehe- oder Lebensgemeinschaft lebende Partner quasi seinen vollen Jahresurlaubsanspruch noch hat. Urlaub wird also als Rettungsinstrument missbraucht und geht dem betroffenen Arbeitnehmer für den Rest des Kalenderjahres vollständig verloren. Angesichts der massiven Kritik des DGB könnte es aber sein, dass hier noch einmal im Entwurf nachgearbeitet wird. 


Gegenwärtig müssen wir aber von dem aktuellen Entwurfsstand ausgehen. 


Dies hätte zur Folge, dass, ausgehend vom Beginn der behördlichen Schul- und Kita-Schließungen am 17.03.2020, bei mindestens 20 Urlaubstagen (das ist der gesetzliche Mindesturlaub, etwaiger vertraglicher oder tarifvertraglicher Mehrurlaub bleibt bei dieser Beispielrechnung unberücksichtigt) dieser frühestens am 15.04.2020 vollständig verbraucht wäre. Erst ab dem 16.04.2020 könnte ein Verdienstausfallanspruch gegen den Staat nach dem IfSG geltend gemacht werden. Zu beachten ist aber zusätzlich die Lage der Osterferien vom 06.04. bis 17.04.2020, in denen kein Verdienstausfallanspruch besteht. Das bedeutet für diesen Beispielfall, dass erst ab Montag, den 19.04.2020 nach dem Verbrauch des Urlaubsanspruches und nach Ablauf der Schulferien ein Verdienstausfallanspruch gegen den Staat bestehen könnte, was dann wiederum voraussetzt, dass die Thüringer Allgemeinverfügung zur Schul- und Kita-Schließung über den 19.04.2020 hinaus verlängert wird. Besteht noch ein höherer Urlaubsanspruch für 2020 oder gar ein Resturlaubsanspruch für 2019, würde der Verdienstausfallanspruch gegen den Staat noch weiter verschoben. Außerdem müssten die Zeiten für Gleitzeit- und Überstundenguthabenabbau auf Null berücksichtigt werden! Außerdem ist nicht klar, ob die Gesetzesänderung rückwirkend auf den Tag der behördlichen Schul- und Kita-Schließung in Kraft gesetzt wird oder ob das Gesetz wie das Sozialschutz-Paket als Ganzes voraussichtlich (erst) am 29.03.2020 in Kraft gesetzt wird. 


Bleibt es also bei der Regelung nach dem aktuell bekannten Entwurf des IfSG und endet die  Schließung der Schulen und Kitas mit dem 19.04.2020, hat quasi kaum ein Elternteil deutschlandweit einen Verdienstausfallanspruch gegen den Staat! Dies wäre angesichts der wohlmeinenden Presseveröffentlichungen auf Bundesministerebene grotesk! 


Es bleibt abzuwarten, welche Entwicklung der Gesetzentwurf in dieser Kalenderwoche nimmt. 


2. Anrechnungsfreie Zweitbeschäftigung bei Kurzarbeit 

Die Bundesregierung hat bekanntlich am 13.03.2020 die gesetzlichen Kurzarbeitergeldregelungen des SGB III erweitert (Herabsetzung der Arbeitsausfallschwelle von 1/3 auf 10 % der Betriebsbeschäftigten - SV-Beiträge werden von Arbeitsagentur vollständig erstattet - KUG auch für Leiharbeitnehmer - Aufbau von negativen Arbeitszeitkonten unnötig).  


Nunmehr will die Bundesregierung die Hinzuverdienstregelung zum Kurzarbeitergeld entschärfen, um so Arbeitnehmer zu animieren, während der Kurzarbeit eine Zweitbeschäftigung aufzunehmen. Dafür gilt: 


  • Entgelt aus einer anderen Beschäftigung,
  • die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommen wurde und
  • in den systemrelevanten Branchen und Berufen (näheres dazu siehe www.kritis.bund.de)
  • wird soweit auf das Kurzarbeitergeld nicht angerechnet
  • wie die Summe aus Kurzarbeitergeld und Entgelt aus Zweitbeschäftigung
  • die Höhe des Entgelts aus der ursprünglichen Hauptbeschäftigung, für die Kurzarbeitergeld gezahlt wird, nicht übersteigt.


Außerdem sind die Bezüge aus der Zweitbeschäftigung versicherungsfrei zur Arbeitsförderung. 


Bisher mussten Einkünfte aus einer während der Kurzarbeit aufgenommenen Beschäftigung auf das Kurzarbeitergeld direkt angerechnet werden. 


3. Ausweitung Minijob-Regelung 

Neben der klassischen geringfügigen Beschäftigung mit einem Entgelt von bis zu 450,00 €/Monat wird die kurzzeitige Beschäftigung ebenfalls als sozialversicherungsfreie geringfügige  Beschäftigung  nach 
§ 8 Abs. 1 SGB IV bewertet. Hier gelten bislang zwei Monate oder 50 Arbeitstage als Schwellwerte für die Kurzzeitbeschäftigung. Diese Werte wurden nunmehr befristet für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.10.2020 auf längstens 5 Monate oder 115 Arbeitstage, insbesondere mit Blick auf die in der Landwirtschaft dringend gesuchten Saisonkräfte, die dort auf Grund der Corona-Pandemie in deutlich geringerer Anzahl zur Verfügung stehen, ausgeweitet. 


4. Ausweitung Hinzuverdienstgrenze für Rentner 

Für Altersrentner galt bislang eine jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 €. Um die Weiterarbeit oder die Wiederaufnahme einer Tätigkeit nach Renteneintritt zu erleichtern, will die Bundesregierung die Hinzuverdienstgrenze befristet vom 01.01. bis 31.12.2020 auf 44.590,00 € p. a. anheben. Bis zur Höhe dieser Einkünfte soll keine Kürzung der Altersrente eintreten. 


Fazit: 

Die Bundesregierung unternimmt gegenwärtig die verschiedensten Maßnahmen, um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Im arbeitsrechtlichen Bereich ergeben sich allerdings diverse Fragestellungen, die die verantwortlichen Ministerien noch klären müssen. Ich halte Sie darüber auf dem Laufenden. 


Für weitere Rückfragen stehe ich selbstverständlich jederzeit gern zur Erörterung zur Verfügung.



mitgeteilt von 


Rechtsanwalt Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht